Wolle spinnen

Handwerken

„Ich wusste ja schon immer, dass du spinnst. Hahaha!“, haben vermutlich die meisten Leute schon gehört, wenn sich in ihrem Umfeld herumgesprochen hat, dass sie – nun ja – eben spinnen. Also laut Duden durch „absonderliches, skurriles, spleeniges Verhalten auffallen“. Beim sogenannten Handspinnen geht es aber tatsächlich darum, „Fasern zu einem Faden zu drehen“.

Je nach Vorliebe benutzt man dazu entweder eine Handspindel oder ein  Spinnrad. Welche Fasern man verwendet, hängt zum einen davon ab, was man mit dem fertigen Faden anfangen möchte, zum anderen aber auch, welches Material überhaupt zur Verfügung steht. An natürlichen Materialien kennen wir pflanzliche (z. B. Baumwolle, Hanf oder Leinen) oder tierische Fasern (z. B. Schaf, Alpaka oder Kaninchen). Bei der Arche sind wir hier erfreulicherweise recht sorgenfrei, da wir selbst wunderschöne braune und weiße Waldschafe halten, die uns durch die jährliche Schur zuverlässig mit nachwachsendem Rohstoff versorgen. Wenn die Frühjahrssonne unsere Waldschafe zum Schwitzen bringt, ist es Zeit den Tieren auf den Pelz zu rücken.

Den dicken langhaarigen und zotteligen Pelz versuchen wir so gut wie möglich am Stück vom Schafskörper herunter zu scheren, ohne das Tier dabei zu verletzen. Das sogenannte Vlies wird dann in atmungsaktiven Bettbezügen gelagert. Damit die Rohwolle nicht zu schimmeln beginnt, kommen die befüllten Bezüge an einen luftigen und trockenen Ort. Apropos Rohstoff: Außerhalb der Siedler-von-Catan-Fangemeinde hat Schafwolle in Deutschland praktisch keinen Wert mehr. Jedenfalls keinen ökonomischen. Bereits die Schur eines Schafes kostet häufig erheblich mehr, als das Vlies Rohwolle im Verkauf einbringt. Oder einbringen würde, wenn der Schafhalter einen Abnehmer dafür fände.

Kehren wir aber zurück zu den Arche-Spinner*innen und ihrem Handwerk. Zunächst wird das Vlies von groben Schmutzteilchen wie Stroh, Heu, verklebten Kotresten und Pflanzensamen ausgelesen und geputzt. So ein Schafsvlies riecht noch sehr stark „schafig“ und wenn man hineingreift, ist die Hand voll fettigem Lanolin. Daher muss das Vlies in lauwarmem, weichem Wasser sanft und ohne viel Bewegung gewaschen werden. Dabei löst sich ein großer Teil des Lanolins und auch der restliche Schmutz wird herausgeschwemmt. Nach dem Trocknen wird die Wolle aufgelockert, indem sie mit den Fingerspitzen behutsam auseinandergezogen wird. Spätestens jetzt fallen die allerletzten Schmutzteilchen heraus. Ist die Wolle zu Flocken gezupft, kann sie streifenweise in die Handkarden zum Kämmen gelegt werden. Karden oder „Kardätschen“ sind Holzbürsten, die die Wolle noch fluffiger machen und entwirren. So bekommen die Wollhärchen eine Richtung und lassen sich leichter weiterverarbeiten. Bei größeren Mengen bietet sich die Kadiermaschine an, die aus zwei benadelten Walzen besteht, die mit einer Handkurbel gegeneinander gedreht werden. Die so vorbereitete Wolle kann bereits zum Filzen genommen werden. Nach dem Trocknen wird die Wolle aufgelockert, indem sie mit den Fingerspitzen behutsam auseinandergezogen wird.

Um sie zu Fäden zu verspinnen, stehen uns die Handspindel oder das Spinnrad zur Verfügung. Die Handspindel ist recht klein und handlich, doch um größere Mengen zu verspinnen, bevorzugen wir das Spinnrad. Ein Spinnrad hat ein großes Schwungrad, das über ein Trittbrett und eine Welle mit dem Fuß angetrieben wird. Mithilfe einer Schnur, die über das Schwungrad läuft, wird die Spindel in schnelle Drehungen versetzt und der fertige Wollfaden dadurch auf die Spindel gewickelt. Durch das Drehen des Rades verdrillt der Wollbausch zu einem Faden und wird gleichmäßig auf der Spindel aufgewickelt. Sind zwei Fadenrollen voll gesponnen, können diese in einem weiteren Vorgang verzwirbelt werden. Die vollen Spindeln werden auf ein Gestell, genannt Haspel, gehängt. Wenn die Wollfäden nicht sorgfältig genug auf die Haspel aufgespannt werden, gerät der Faden durcheinander ‒ er verhaspelt sich. Daher die Redewendung, wenn sich jemand beim schnellen Reden „verhaspelt“, d. h. durcheinander kommt. So vorbereitet kann die Wolle jetzt mit bestimmten Pflanzen eingefärbt und gleich weiterverarbeitet oder zu Knäueln gewickelt werden. Die Wolle unserer Waldschafe eignet sich besonders gut zum Filzen, aber auch zum Stricken und Weben.

Die Handspinnerei ist für uns etwas ganz Besonderes. Natürlich ist es toll, am Ende ein Wollknäuel in der Hand zu halten, das aussieht wie gekauft und aus dem sich die schönsten Kleidungsstücke machen lassen. Das ist aber nur die halbe Geschichte. Arbeiten mit Spindel oder Spinnrad hat etwas zutiefst Entspannendes, beinahe Meditatives. Das Zusammenwirken von Hand, Fuß und Auge, das gleichmäßige Schnurren des Schwungrades, das Tanzen der Spindel: zusammengenommen ein Garant dafür, sich zu erden und seine Mitte zu finden. In verschiedenen erlebnispädagogischen Projekten können Kinder, Erwachsene, Senioren und Menschen mit besonderen Bedürfnissen beim Arche Bauernhof Erlange Stadt und Land e. V. hautnah das Erlebnis „Vom Schaf zur Wolle“ erfahren.
Wenn auch du fasziniert von diesem alten Handwerk bist oder es vielleicht sogar erlernen möchtest, melde dich gerne über das Kontaktformular.

(Stina Bouallagui und Verena Ryssel)

 

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